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Stadt Mülheim und das Herzogtums Berg

Ein Vortrag über die Geschichte der Stadt Mülheim und des Herzogtums Berg
im Förderkreis Rechtsrheinisch Köln von Heinz Schmalen / 1979


Wappen von Mülheim
Wenn ich mir im Förderkreis rrh. Köln die Aufgabestellen ließ, einen Vortrag über die Geschichte Mülheims zu halten, so hat dies mancherlei Gründe. Nicht nur die Tatsache, daß ich in Mülheim geboren bin (denn die Stadt Mülheim vereinigte sich erst am 1. April 1914 mit Köln), sondern auch die Erkenntnis, daß wir vielleicht alle, ins besondere unsere Jugend, über die sicherlich gerade in unserer Zeit notwendige Nestwärme des Elternhauses hinaus auch die Beziehung zur engeren Heimat wieder fester knüpfen und hierfür die Kenntnis über die Geschichte unserer Heimat vertiefen sollten.

Nur diese Kenntnis der Geschichte - und die Mülheims ist reich und interessant - vermittelt uns die Heimatliebe, die Liebe zu unserer Vaterstadt, die Liebe zu unserem Vaterland, die heute fast in Vergessenheit geraten ist.Insbesondere aber sollten wir diese Kenntnis unseren zugewanderten Mitbürgern nahebringen, deren Kinder längst echte Kölner geworden sind!

Wie stark dieser Zug zur Heimat im Menschen verwurzelt ist, erkennt man unschwer an der unbestrittenen Tatsache, daß viele, die in die Welt hinausgingen, am Abend ihres Lebens, wenn ihnen möglich, in ihre Heimat zurückkehren.

Sicherlich geht es auch vielen von ihnen wie mir, daß mich, wenn ich nach einem Urlaub, einer Reise zurückkomme, dieses Heimatgefühl mit Glück erfüllt, wenn ich nur unser herrliches bergisches Land wiedersehe, den Dom wieder erkennen kann! Als Soldat habe ich dies oft erlebt: wenn der Urlauberzug über die Hohenzollernbrücke donnerte und wir uns dem Dom näherten, dann waren wir zu Hause. Ja, ich sagte: "Den Dom", den Kölner Dom und bekundete damit gleichzeitig, daß ich Kölner geworden bin, Bürger einer Stadt, die bis 1914 nicht nur Nachbarstadt war, sondern in vergangener Zeit der Stadt Mülheim oft in harter Fehde empfindlichen Schaden zugefügt hat.

Und nicht nur um das Heimatgefühl der Mülheimer zu stärken -denken Sie an die vielen Mülheimer Vereine, die ihrem Namen stolz "Mülheim" hin- zufügen - kann ich einen Altertumsforscher des 17. Jahrhunderts, Aegidius Gelenius, zitieren, der feststellt, daß Mülheim, die alte Ubierstadt rechts des Rheins, die Mutterstadt Colonias sei!

Neidlos überlassen wir den Kölnern den Ruhm, von Römern als Kolonie gegründet worden zu sein, von jenen Römern, die fast 500 Jahre die Geschicke Kölns und des linken Rheinufers bestimmt haben, während nach der Schlacht im Teutoburger Wald 9 n.Chr. die Römer nicht nur den Verlust vieler römischer Legionen betrauerten, sondern auch das rechte Rheinufer nördlich von Mainz kaum noch betreten haben.

Der Rhein wurde nicht nur politische Grenze, sondern bestimmte noch weitgehend die unterschiedliche geschichtliche Entwicklung der Bewohner rechts und links des Rheins! Die erste Pfahlbrücke soll übrigens bei Mülheim über den Rhein geführt haben. Man fand bei Erdarbeiten für eine Kanalanlage an der Buchheimer Straße im Jahre 1912 etwa 1 1/2 Meter unter dem Niveau der Straße Steine einer ausgebauten Straße, die die Merkmale römischer Bauweise trugen.

In unserer Gegend lebten etwa 50 v.Chr. die Ubier, einer der vielen germanischen. Volksstämme. Cäsar berichtet im "Gallischen Krieg" von einer volkreichen Stadt - es könnte Mülheim gewesen sein. Nach den Ubiern kamen die Tenkterer. Tacitus sagte von ihnen, daß sie tapfer und gute Reiter seien. Den Ubiern und Tenkterern folgte vom 3. bis zum 9. Jahrhundert das Sammelvolk der Franken, der Freien!

814 starb Karl der Große, der große König der Franken, sein Sohn Ludwig erbte das Reich, er starb 840, hinterließ drei Söhne, und sein Sohn Lothar erbte den mittleren Teil des Reiches - Lothars Reich "Lotharingen" -, zu dem auch unsere engere Heimat gehörte. In diese Zeit gehörte auch die Entstehung des Namens Mülheim, wie alle Wörter mit der Silbe -heim oder hem Zeugen dieser Zeit sind. So entstanden z.B. Buchheim, Friesheim, Horrem usw. Hieraus kann man also schließen, daß Mülheim das Heim an den Mühlen war, wie es damals viele gab, woran heute noch z.B. die Diepeschrather Mühle, die Gierather Mühle und viele andere erinnern.

Erste deutliche Anhaltspunkte für die Gründung Mülheims ergaben sich in der Zeit der Karolinger im 9. Jahrhundert, einer Zeit, der die Entstehung der Wassermühlen zugeschrieben wird. Die Bodenverhältnisse zwischen Faul- und Strunderbach hatten sich so gebessert, daß eine Reihe von Mühlen, Roß-, Wind- und Wassermühlen, am Rhein, am Strunder-- und am Faulbach entstanden. Die älteste bekannte Form des Namens Mülheim stammt aus 1098 und lautete Mulenheym. In der heutigen Form kennt man den Namen etwa seit 1612.

Mülheim und die "Freiheit"

Später finden wir oft den Namen Mülheim mit der "Freiheit" verbunden, der "Freiheit Mülheim", und die älteste Straße Mülheims wird wohl die "Mülheimer Freiheit" gewesen sein. Der Begriff "Freiheit" spielt für Mülheim eine besondere Rolle. Hier sei nur gesagt, daß eine "Freiheit" stets eine Stadt war mit entsprechen- den Rechten, wie z.B. der vom Landesherren verliehenen Abgabenfreiheit. "Freiheit" bedeutet also hier, daß Mülheim Stadtrechte hatte und daß die Stadt befestigt war. Der Name "Freiheit" wurde nämlich im Mittelalter nie einem offenen Ort gegeben, sondern nur einem befestigten Platz.

Mülheim hatte aber nicht nur oft verbriefte Privilegien und Sonderrechte, sondern war auch eben- so geschätzt von seinem Landesherren, ein Ort und Hort einer Gesinnungsfreiheit, einer Gewissensfreiheit, die -von den regierenden Fürsten gefordert -sicherlich eine Grundlage zur Entwicklung und Blüte Mülheims und seiner Wirtschaft war. Sicher ist diese Freiheit auch unter dem Gesichtspunkt der Konkurrenz zu Köln zu sehen, denn so konnte im Gegensatz zu Köln jedermann Handel oder ein Gewerbe betreiben und nach seiner Fasson selig werden. So sicherte der uns so bekannt gewordene Johann Wilhelm II., vom Volk liebevoll Jan Wellem genannt, sich seine Volkstümlichkeit schon dadurch, daß er seine Untertanen nicht nur von jeder Glaubensbedrückung frei hielt, sondern er schützte darüber hinaus alle christlichen Bekenntnisse. Und als man 1713 in Cöln begann, Protestanten und annderen Nichtkatholiken zu vertreiben, wie bereits schon einmal 100 Jahre vorher, nahm er sie in die "Freiheit Mülheim" auf und gewann so der Stadt eine Reihe fleißiger und tüchtiger Bürger, die zur Entwicklung der Stadt wesentlich beitrugen. Einige Namen sind sicherlich vielen Bürgern heute noch bekannt, wie z.B. Christoph Andreae, Mühling, Köster, Clarenbach, Lindgens, Rhodius, von der Herberg, Eulenberg, van Hees, Moll. Heute noch findet man in Mülheim -und natürlich auch jetzt in Köln - neben Katholiken, Protestanten, Lutheraner, Alt- und Neuapostolische, Juden, Reformierte und Baptisten.

Zur geschichtlichen Entwicklung wäre anzuknüpfen an die Dreiteilung des Frankenreiches 843 im Vertrag zu Verdun, in dem der Enkel Karl des Großen, Lothar I. den mittleren Teil des Reiches erhielt, und nachdem auch er starb, seinem Sohn Lothar Il. das "Lothariregnum" hinterließ, welches nicht nur das heutige Lothringen, sondern auch Luxemburg, Belgien und einen Teil der Niederlande umfaßte. Lothar der II. starb kinderlos. und so fiel sein Reich an Ludwig den Deutschen 870 im Vertrag zu Mersen mit seinem östlichen Teil, der etwa Deutschland wurde, und so kann man den Raum unserer engeren Heimat seit 870 zu Deutschland gehörig zählen.

Unter Ludwig dem Kinde bildeten sich 911 fünf Herzogtümer, Mülheim kam zum Herzogtum Lothringen und nach einer Teilung durch Otto I. zu Niederlothringen. Der lange Weg über die von Mulenheym, Mülheim, Berg, die Adolfs und die "Cölner" Bekannt ist aus dem 11. Jahrhundert eine Entwicklung Mülheims, ein Hof, eine Burg, ein Ritter von Mülheim, und eine Urkunde aus dem Jahre 1098 nennt einen Heriman de Mulenheym. Im gleichen Jahr berichtet die Geschichte bereits von einem ersten Streit mit dem Erzbischof von Cöln, der dem Kloster St. Pantaleon einen Besitz, bestehend aus Häusern, Ackerland, einer Mühle und einer Waldung in Mülheim schenkte, der dem Erzbischof als erledigtes Lehen zugefallen war. Doch dieser Heriman de Mulenheym erhob Ansprüche, rückte mit Reisigen an und vertrieb die Klosterleute.

Der Bergische Löwe 1011 wurde der Grund zur Grafschaft Berg gelegt durch die Übertragung des Grafenamtes im Deutzgau an Adolf von Berg. Zu dieser Grafschaft gehörte Mülheim. Diese Grafschaft, die bis 1380 Bestand hatte, hatte ihre Bezeichnung von der Burg Berg an der Dhünn.

Unter dem Grafen Wilhelm Il. erhob der deutsche Kaiser Wenzel die Grafschaft Berg zum Herzogtum. Wie eingangs bereits erwähnt, hat das Herzogtum und damit verbunden Mülheim eine vielschichtige Geschichte, reich geprägt von Höhen und Tiefen, von harten und von Blütezeiten. Im Herzogtum Berg jedoch hatte Mülheim bis zur Franzosenzeit fast stets eine Sonderstellung. Das Kloster Altenberg, von den Zisterzienser 1133 gegründet, besaß von den Landesherren verliehen, über Jahrhunderte die Fährrechte in Mülheim und erhielt deren Einnahmen. Vom Erzbischof Arnold I. erhielt das Kloster die Bestätigung über den Erwerb eines Hofes in Buchheim. Der Landesherr, Adolf I., schenkte dem Kloster ebenfalls einen Hof in Mülheim. Man vermutet diesen Hof, um den sich Häuser gruppierten, da, wo der Bärenhof stand, in der jetzigen Regentenstraße gegenüber der Liebfrauenkirche.

Im 13. Jahrhundert traf Adolf IV. mit Köln ein Abkommen, welches den Bewohnern beider Städte besonderen Schutz zusicherte und Ausgewanderte nach bestimmter Frist nicht mehr der Gefahr der Auslieferung aussetzte. Eine Blütezeit begann. Mülheim wurde ein bedeutender Platz, Landwirtschaft gedieh auf fruchtbarem Boden, die Lage am Rhein und die von hier ausgehendem Wege begünstigten Handel, Verkehr und Schifffahrt. 1250 verlegte der Landesherr den Gerichtssitz von Porz nach Mülheim für den oberbergischen Teil des Herzogtums. Im 14. Jahrhundert wird der Bärenhof als Sitz dieses Gerichts genannt.

Da Mülheim bei Fehden jedoch stets gefährdet war, machte Adolf IV. den ersten Versuch, die Stadt durch eine Befestigungsanlage zu sichern. Als er starb, nahm 20 Jahre später sein Nachfolger Adolf V. einen günstigen Zeitpunkt der Eintracht zwischen Cöln und dem Herzogtum wahr, um Mülheim mit Befestigungen, Türmen und Wällen zu umgeben. Köln jedoch sah diese Befestigung mit Argwohn und entfachte bald einen Krieg, der mit einem Vertrag 1286 damit endete, daß die Befestigungen geschleift werden mußten und der die Auflage für das Herzogtum Berg enthielt, zwischen Zündorf und Rheindorf keine Befestigungen mehr anzulegen. Dieser Vertrag war die Grundlage jahrhundertelangen Streites zwischen beiden Städten.

Ohne Befestigungen war Mülheim in einer Zeit des Faustrechts trotz mancher Sonderrechte fast bedeutungslos. Viele Einwohner verließen die Stadt in der gefährlichen Nachbarschaft von Cöln und zogen rheinabwärts. Als aber nach der für den Erzbischof Siegfried von Cöln verlorenen Schlacht bei Worringen 1289 ein Bündnis zwischen der Stadt Cöln und Berg bestand, begann Adolf schnell wieder mit der Errichtung von Befestigungen, die Mülheim schon bald wieder zu neuer Blüte verhalfen. Im 13. Jahrhundert kam es wieder zu einem Krieg zwischen dem Erzbischof und dem Grafen von Berg, in dem Mülheim großen Schaden erlitt. Im Jahre 1308 brachte ein schwerer Eisgang großes Elend, Not, Mißernte und Hungersnot über Mülheim, der noch die Pest folgte.

1314 verursachte der Kronstreit zwischen Bayern und Osterreich besonders am Niederrhein viele Fehden, die jedoch Mülheim dank seiner Befestigung unberührt ließen. 1308 - 1348 herrschte Adolf VI., der als besonderer Freund Mülheims galt. Er richtete in Mülheim eine weitere Münzstätte ein, die natürlich auch einen wirtschaftlichen Zweck hatte, und zwar die Position Mülheims gegenüber Cöln zu stärken, denn Cölner Geld ging durch das ganze Land. Es wurden hier Groschen, Denare, Goldgulden, Turnose und Wappen-Turnose geschlagen. Die Münzstraße er- innert heute noch an den Standort der Münze. Außerdem räumte Adolf VI. im Jahre 1322 Mülheim eine Reihe von Sonderechten ein: Freiheit von allen Diensten und Abgaben, ein eigenes Gericht, das Recht, am Obergericht einen eigenen Schöffen zu stellen, ein Gericht für Handel, Güter, Marktsachen, Brot, Wein, Testamente und den Wechsel von Grundeigentum zu unterhalten, und endlich das wichtige Recht auf Unantastbarkeit der Person und des Eigentums der Bürger von Mülheim. 1322 spricht man auch erstmals von der Stadt Mülheim.

1380 wurde die Grafschaft Berg zum Herzogtum erhoben und 1402 entstand eine neue Fehde zwischen Berg und dem Abt von Siegburg. Sie dehnte sich 1405 auf Cöln aus und endete mit einem Sieg der Cölner. Verwüstung und Brandschatzung waren die Folgen. Ende des 14. Jahrhunderts erhielt Mülheim Zollrechte. Man unterschied zwischen Eingangs- und Durchgangszoll. 1393 hatte Adolf VI I. Mülheim für vier Jahre von allen Abgaben befreit. Diese Befreiung jedoch enthielt die Bedingung, die Befestigungsanlagen wiederherzustellen. Die Befestigungslinie umfaßte das Gebiet Mülheims etwa im Zuge der Salzstraße, Neustraße, Wallstraße und Stöckergasse. Man zählte in diesem Viereck 62 Häuser und eine Kirche. Diese Befestigung sah Cöln wieder als Bedrohung an, verbündete sich mit dem Erzbischof Dietrich von Moers und zog 1415 gegen Berg. Diesmal blieb in den meisten Gefechten Berg Sieger. Die Cölner wandten sich jedoch 1417 an den König Sigismund und auf der Reichsversammlung zu Konstanz wurde 1417 beschlossen, daß der Zoll aufzuheben und die Befestigungsanlagen zu schleifen sei.

Am 7. Juni 1417 schickte Cöln 500 Mann,
die bis zum 23. Juni die Befestigungen niederrissen.

1425 erhält Mülheim eine Reichsmünze, nachdem 100 Jahre schon bergische Münzen geschlagen wurden. Diese Einrichtung war jedoch keineswegs selbstlos übertragen, denn von jeder Mark Goldes hatte der einen halben Gulden und von jeder Mark Silber einen Weißpfennig an König und Herzog, je zur Hälfte. abzuliefern. Mülheim ohne Befestigungen erholte sich nur schwer, aber der Herzog, mit dem Erzbischof befreundet, unternahm nichts. Nur als er mit hohen Schulden die Hilfe Mülheimer Bürger erhielt, räumte er der Stadt wieder Sonderrechte ein. 1475 erhielt Mülheim Kaiserbesuch von Friedrich III., der mit vielen Bischöfen und Grafen und 1500 Mann Fußvolk 4 Tage in Mülheim lagerte, bevor er gegen den Herzog von Burgund zu Felde zog. Etwa 1519 erreichte die Lehre der Reformation das bergische Land. 100 Jahre später gründete man in Mülheim eine evangelische Gemeinde. Herzog Wilhelm IV. räumte seinen Untertanen Religionsfreiheit ein. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts - 1575 - erhielt Mülheim Siegel und Stadtwappen.

75 Jahre Not und Zerstörung

1580 vernichtete eine Feuersbrunst 27 Häuser, die wohl beim Vogelschießen in Brand gesetzt worden waren. Der Truchsessische Krieg, ein Krieg zwischen dem Kölner Erzbischof, der zum reformierten Glauben übergetreten war, und seinem Nachfolger Herzog Ernst von Bayern, und die damit zwangsläufig verbundenen Verwüstungen von großen Landstrichen veranlaßten Herzog Wilhelm IV., sich mit Plänen einer vierten Befestigung Mülheims zu beschäftigen. Cöln erfuhr von diesen Plänen und machte nach einem erfolglosen Einspruch die Sache beim Reichskammergericht anhängig. Von 1588 - 1592 bauten die Mülheimer an ihrer Befestigung, obwohl Cöln sich laufend beschwerte. Nach dem Tode Johann Wilhelms entstand Streit über die Erbfolge, Brandenburg und Berg regierten gemeinsam und förderten das Befestigungswerk auf dem Hintergrund der Unduldsamkeit Cölns gegenüber den Protestanten. Sie erließen sogar einen Aufruf in allen Reichslanden in deutscher, niederländischer und französischer Sprache, sich ohne Unterschied der Religion in Mülheim niederzulassen mit einer Reihe von Privilegien. Mülheim baute seine Befestigungen mit 10 Bollwerken und zwei Wasserbauten in den Rhein und entwarf einen modernen Stadtplan mit vier Märkten, Börse, Rathaus, Schlachthaus, vier Kirchen, zwei Hospitälern usw.

Langsam und mit Unterbrechungen schritt die Befestigung Mülheims fort. Immer wieder versuchte Cöln beim Kaiser und beim Reichskammergericht die Schleifung der Werke zu erwirken. Doch kaiserliche Befehle und Schreiben wurden von Herzog Wilhelm IV. nicht beachtet (1588). Erst nach einer 7., 8. und 9. Verordnung des Kaisers entschloß man sich gemäß einem kaiserlichen Befehl am 22. August 1614, die Festungswerke zu zerstören. Aber Cöln verlangte auch darüber hinaus, daß die Neustadt Mülheims zerstört und verschwinden sollte. Für uns kaum verständlich, daß die Gründe für eine solche Forderung nur in religiösen Anschauungen ihren Ursprung gehabt haben sollen. Und da Mülheim zögerte, auch diese Zerstörung selbst vorzunehmen, bediente sich Cöln der noch dort lagernden spanischen Truppen, mit denen 526 Cölner Handwerker nach Mülheim zogen und dieses Zerstörungswerk durchführten, eine der schwärzeste n Zeiten für diese Stadt. Die wirklichen Gründe für den Widerstand gegen eine Befestigung dürften jedoch für den Cölner Rat wohl in der Erhebung von Rheinzöllen durch die Herzöge von Berg gewesen sein. Die befestigte Stadt beherrschte den Rhein unterhalb Cölns, wo die Bergischen an 15 Stellen Zölle erhoben. Zwar begründete der Rat dem katholischen Kaiser gegenüber sein Verlangen nach Zerstörung der Mülheimer Befestigungen mit dem Argument, Mülheim sei ein Stützpunkt der Ketzer und eine Gefahr für die katholische Religion. In Wirklichkeit jedoch standen handfeste wirtschaftliche Interessen hinter den Cölner Klagen. Hatten die Bergischen doch sogar einmal versucht, den Rhein umzulenken und damit Cöln im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abzugraben, um das Cölner Stapelrecht zu vernichten.

Umso tragischer war die Zerstörung für die Stadt Mülheim, da vier Jahre später der dreißigjährige Krieg begann. Die Union der Protestanten und die Liga der Katholiken verwüsteten Europa. 1622 herrschte blutige Fremdherrschaft spanischer Truppen in Mülheim. 1624 und 1625 kamen zwei spanische Kompanien nach Mülheim. 1626 lösten die Hessen sie ab, 1627 kehrten die Spanier zurück. 1628 wurden kaiserliche Truppen von Brandenburgern und Holländern verdrängt, 1632 kamen die Schweden. Endlich wurde 1648 der lang ersehnte Frieden in Münster und Osnabrück geschlossen! Mülheim erholte sich nur langsam. Herzog Wolfgang Wilhelm gestattete der Stadt die Einrichtung von 3 Märkten jährlich. Die "Freiheit Mülheim" gelangte allmählich wieder zu neuem Wohlstand.

Vom Herzogtum Berg über die Pfälzer Herren bis "Jan Wellem"

Burg an der Wupper Nun eine Rückblende zur Geschichte des Herzogtums Berg! Es erstreckte sich vom Siebengebirge bis zur Ruhr, vom Rhein im Westen bis zur Grenze Westfalens im Osten. Die Wupper teilte es in einen ober- und einen niederbergischen Teil. Graf Adolf dem I. folgten noch vier Grafen aus dem Hause Berg auf Schloß Burg an der Dhünn, und als 1225 Engelbert II. kinderlos starb, kam die Grafschaft durch Heirat an Grafen aus dem Hause Limburg. Der letzte von fünf hinterließ nur eine Tochter, die sich mit Gerhard von Jülich vermählte und so die Grafschaft an das Haus Jülich brachte. Drei Herzöge folgten noch Wilhelm II. aus dem Hause Jülich, und als der letzte, Wilhelm III. eine Tochter hinterließ, heiratete diese nach fünfjähriger eigener Regentschaft Johann von Cleve, dem Wilhelm IV. und Johann Wilhelm I. folgten bis 1609. Der letzte Herzog starb kinderlos, und da schon mehrere Herzogtümer durch Erbschaft unter der Herrschaft der Herzöge von Cleve vereinigt waren, und zwar Jülich, Cleve und Berg und die Grafschaften Mark und Ravensburg, erhob sich nun um dieses Erbe der jülich-clevische Erbfolgestreit, der damit endete, daß 1614 durch den Vertrag von Xanten die nördlichen Teile, Cleve, Mark und Ravensburg an die Kurfürsten von Brandenburg, das spätere Pretissen fielen, während Jülich und Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf an die Fürsten von Pfalz-Neuburg an der Donau kamen. Für diese süddeutschen Fürsten, die zu einer Seitenlinie der in Bayern herrschenden Wittelsbacher gehörten, bedeutete dieser Machtzuwachs so viel, daß sie ihre Residenz nach Düsseldorf verlegten.

Fünf Kurfürsten folgten aus dem Hause Pfalz, bis daß das Herzogtum 1806 unter die Fremdherrschaft der Franzosen fiel und als Großherzogtum von Napoleons Schwager Murat zwei Jahre lang regiert wurde, bis dieser zum König von Neapel aufstieg. Nach einem Jahr unter der Herrschaft von Napoleon selbst, als Großherzog, setzte dieser dann seinen fünfjährigen Sohn als Großherzog ein, bis dann endlich nach dem Niedergang Napoleons am 5. April 1814 auf dem Wiener Kongreß beschlossen wurde, daß das Herzogtum bzw. große Teile zu Preußen kommen sollten und damit auch Mülheim preußisch wurde. Eine besondere Betrachtung verdient sicherlich der zweite Kurfürst aus der Pfalz, Johann Wilhelm II., der zu seiner Zeit und auch bis heute "Jan Weilern" genannt wurde und wird, womit die Bevölkerung sicherlich einer besonderen Verbundenheit Ausdruck geben wollte und noch gibt. Sein Denkmal befindet sich heute am Mülheimer Stadtgarten gegenüber der Fürstenbergstraße, nachdem es nach Zerstörung während des letzten Krieges wieder instandgesetzt worden ist. Sein Vater Philipp Wilhelm übertrug ihm schon zu Lebzeiten, um ihm die Heirat mit einer Tochter des Kaisers Ferdinand II. zu ermöglichen, die Herzogtümer Jülich und Berg. Er selbst zog sich nach Neuburg an der Donau zurück, wurde 1685 durch Erbschaft Kurfürst von der Pfalz und vererbte seinem Sohn alle Besitzungen und die Würde eines Kurfürsten von der Pfalz, des nach dem Kaiser ranghöchsten weltlichen Fürsten im Reich. Am 19. April 1658 geboren in Düsseldorf, war er nach seiner Heirat mit einer Tochter des Kaisers bestrebt, seinen Hof, seine Residenz so auszugestalten, wie es seiner Würde entsprach. Als junger Mann war er weitgereist, hatte eine Zeitlang am französischen Hof gelebt und seine Talente, die nicht auf militärischem Gebiet gelegen haben sollen, nützte er in der Förderung der Kultur.

Nach dem frühen Tode seiner Frau heiratete er Anna Maria Louisa von Toskana aus dem Hause der Medici, die eine reiche Mitgift in die Ehe brachte - 300.000 Scudis - und ihn damit nicht nur in ideeller, sondern auch in materieller Hinsicht in seinen Bemühungen um kulturelles Leben in seiner Residenz unterstützte. Zahlreiche Künstler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Goldschmiede zog es an seinen Hof. Grupello schuf noch zu seinen Lebzeiten das noch heute in Düsseldorf stehende Reiterstandbild. Seine Gemäldegalerie war die bekannteste nördlich der Alpen, vor allem Werke niederländischer Maler, Hauptwerke von Peter Paul Rubens und viele andere waren vertreten. 1805 rettete man diese Sammlung wertvollster Werke vor dem Zugriff der Franzosen und brachte sie nach München, wo sie heute noch den Hauptteil des Bestandes der Alten Pinakothek bildet. Beziehungen zu allen europäischen Fürstenhäusern nützte er. Seine Schwestern waren Gattinnen des deutschen Kaisers, der Könige von Portugal und Spanien und des Herzogs von Parma. Seine Brüder hatten als Kirchenfürsten die Erzbischofs- und Bischofsstühle in Mainz, Trier, Worms und Breslau, Lüttich und Augsburg inne. Sein verwandtschaftliches Netz spannte sich über ganz Europa. Jan Weilern war einer der edelsten Fürsten seiner Zeit, und die Mülheimer hingen nicht ohne Grund mit Liebe an ihre Landesfürsten, sein Bild fand man in vielen Häusern. Er trug die Würde eines Schützenkönigs der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft und stiftete der Bruderschaft die schwere silberne Königskette, die heute noch vom Schützenkönig getragen wird.

1678 zählte Mülheim 150 Haus- und Grundbesitzer,
der Nachbarort Buchheini 129.

1701 überzog der spanische Erbfolgekrieg wieder- um das Land mit Kriegsgreuel, der Erzbischof von Köln schloß sich den Landräubern an, aber Johann Wilhelm bewaffnete sein Land. Trotz dem blieben Müllheim und Porz nicht von Raub, Mord und Brandschatzung der Franzosen unter Tallard frei. Nach dem Tode Jan Wellems 1716 folgte sein Bruder Karl Phillip bis 1742. Er bestätigte 1730 die Sonderrechte der Stadt Mülheim. Im österreichischen Erbfolgekrieg zogen wiederum die verschiedensten Truppen, französische, holländische, deutsche und sogar englische durch unser Land, die den Bürgern unsägliche und kostspielige Belästigungen bereiteten. Im Siebenjährigen Krieg 1756 - 1763 war Berg wie alle deutschen Fürsten verpflichtet, der Reichsarmee Truppen zu stellen. Berg stellte 10 Bataillone, und die Werbung hierfür war nicht zimperlich! Außerdem verbündete sich Maria Theresia noch mit den Franzosen, Soldaten, die alle Mülheim nicht unberührt ließen.

Aufbruch in die Neuzeit

1784 wird Mülheim von einem Eisgang heimgesucht. Durch einen harten Winter staute sich das Eis auf dem Rhein bei Westhoven. Dort trat auch der Rhein am 17. Januar über die Ufer und überschwemmte das Land. Ohne aIl zugroßen Schaden floß bei niedrigem Wasserstand das Wasser schnell ab und das sich stauende Eis verstopfte weiteren Zufluß. Bis zum 26. Februar baute man an einem Schutzdamm. 10 Fuß höher als die Überschwemmung vom 17. Februar glaubte man sich durch diesen Damm in Sicherheit. Am 22. Februar trat Tauwetter ein. Am 27. Februar morgens gegen 5.00 Uhr erfuhren die Bewohner durch Kanonenschüsse zu Cöln und Trommeln im Ort, daß der Aufbruch des Eises eingesetzt hatte. Haushoch türmten sich die Eisberge, eine Überschwemmung in einem bis dahin unbekannten Ausmaß folgte. Ein Bild des Eisganges ist sehr bekannt. Von etwa 400 Häusern Mülheims wurden 161 vollkommen zerstört, etwa 100 beschädigt. Elend und Not herrschten unter den Bewohnern, 1800 wurden obdach- und brotlos. Erstmalig berichtete der Chronist von einer Hilfe Cölns - 1000 Brote senden die Protestanten - 300 kamen vom Generalvikariat der Katholiken. Eine Welle der Hilfe erreichte Mülheim. Hilfeleistend wurden genannt Solingen, Remscheid, Elberfeld, Barmen, Lennep Wald u.a.m. 1789 brach in Frankreich die Revolution aus. Die Hinrichtung Ludwig XVI. 1793 löste Empörung in allen Nachbarsländern und einen Krieg zwischen Frankreich und der Koalition Österreich-Preußen aus. Der deutsche Kaiser schloß sich an und wiederum erschallte Kriegslärm im Lande. 1795 kamen die ersten Franzosen nach Mülheim. Die Österreicher vertrieben sie nur für kurze Zeit, und 1796 errichteten die Franzosen ein großes Lager bei Mülheim. 1801 machte der Friede von Luneville dem Krieg zwischen Österreich und Frankreich ein Ende. Das deutsche Land links des Rheins fiel an Frankreich, das besetzte rechte Ufer sollte geräumt werden. Die Bewohner des Herzogtums atmeten auf, als 1800 die Franzosen das Land räumten. Aber 1805 entflammte erneut Krieg zwischen Österreich und Frankreich. Nach der Schlacht bei Austerlitz schaffte Napoleon den sogenannten Rheinbund, und da der Herzog von Berg auch Kurfürst von Bayern war, machte Napoleon ihn zum König von Bayern. Doch der Preis hierfür war die Abtretung des Herzogtums Berg. Napoleons Schwager Murat wurde für 2 Jahre Herzog von Berg. Die Franzosenzeit, von Hofkammerrat Bertholdi, dem Maire Mülheims zu dieser Zeit, in einem Tagebuch festgehalten, wäre ein abendfüllendes Thema!

Für die Rekrutierung des Rußlandfeldzuges ließ Napoleon im Großherzogtum etwa 7000 junge Männer zwischen 20 und 25 Jahren mustern und einziehen. Die Methoden der Ziehung waren hart, Wehrdienstverweigerer oder Ersatzdienst kannte man nicht. Nur jeder zehnte (etwa 700.) sahen die Heimat wieder. Das geschlagene Heer überflutete das Land. Am 3. Januar 1814 setzte der Major Boltenstern mit einer Jägerkompanie auf requirierten Kähnen Mülheimer Schiffer gegen den Rat des Maire Bertholdi über den Rhein. Alarmierte Franzosen aus der Kölner Garnison, die man schon abgezogen glaubte, schlugen die Jäger wieder in den Rhein zurück, Boltenstern selbst verlor, schon mit seinem Pferd im Strom, sein Leben durch eine Kugel der Franzosen. Am 11. Januar setzten die Russen bei Wiesdorf über den Rhein. 1814 schlug man auf dem Wiener Kongress das Herzogtum zu Preußen.

Von vielen Ereignissen wäre noch zu berichten!

Im Mai 1888 erwarb der Rat der Stadt unter Bürgermeister Steinkopf die Schiffsbrücke der Stadt Mainz für einen Preis von 45.000,- Reichsmark. Die Gesamtkosten einschließlich des Abbruchs der Häuser für den Bau der Rampen erforderte 175.000,- Mark.

1927 fuhr man die Schiffsbrücke aus und begann sofort mit dem Bau einer modernen Hängebrücke. Konrad Adenauer setzte sich im Rat durch mit dieser Brücke, deren Kabel die in Mülheim ansässige Firma Feiten & Guilleaume herstellte und lieferte. Am 13. Oktober 1929 erfolgte die Einweihung unter großer Anteilnahme der Mülheimer Bevölkerung. Der 2. Weltkrieg, der 10 Jahre später ausbrach, verschonte weder die Stadt noch die Hängebrücke. Das Wunder des Wiederaufbaus ist hinlänglich bekannt, niemand hätte es 1945 für möglich gehalten. Und so wie es unseren Vätern 1914 sinnvoll erschien, sich mit Köln zu verbinden, so wäre auch sicherlich dieser Wiederaufbau Mülheims ohne die vereinte Wirtschaftskraft der Großstadt Köln nicht möglich gewesen. Und so dürfen wir heute mit Recht sagen: Mülheim wird nicht von Köln durch den Rhein getrennt, sondern durch die Brücken mit Köln verbunden!

Sicherlich kann eine solche Kurzfassung der Geschichte Mülheims und des Herzogtums Berg nur lückenhaft und unvollkommen das Schicksal unserer engeren Heimat schildern. Meine Absicht war, das Interesse hierfür zu wecken, all denen, die eine neue Heimat bei uns gefunden haben, einen kurzen Einblick zu geben, damit sie, wie wir, unsere Heimat schätzen und lieben lernen. Erkennen sollten wir aber auch in Erinnerung an die häufigen Kriegszeiten, die unser Land durch- lebte bis zu den Schrecken des letzten Krieges, daß es unsere vornehmste Aufgabe sein muß, uns für die Erhaltung des Friedens und den Schutz dieser so freiheitlichen Demokratie einzusetzen, in der wir leben, damit auch unsere Nachfahren das Leben noch lebenswert finden. Auf meiner letzten Reise durch Ungarn erklärte mir eine politisch versierte Ungarin in einem Gespräch: "Sie werden an Ihrer allzu perfekten Demokratie zugrunde gehen!" Wir Deutsche neigen zu Extremen, zu allzu Perfektem, auch da sollten wir uns vor hüten, damit diese Prognose nicht wahr wird.

Heinz Schmalen / 1979

Quelle: Johann Bendel, Geschichte der Stadt Mülheim ans Rhein
Das Heimatbuch des Landkreises Mülheim Tagebuch Bertholdi

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